Ob Schneidbrett, Rohrleitung oder Förderschnecke – lebensmittelechte Kunststoffe sind in der Lebensmittelverarbeitung unverzichtbar. Doch nicht jeder Kunststoff ist automatisch geeignet. Welche Materialien gelten als lebensmittelkonform? Und was genau bedeutet eine FDA- oder EU-Zulassung?
In diesem Beitrag erhalten Sie einen fundierten Überblick – mit Vergleich, Praxisbezug und rechtlichem Rahmen. Zusätzlich erfahren Sie, welche Eigenschaften im Detail wichtig sind, wie sich die einzelnen Kunststoffe im Vergleich verhalten und worauf es bei der Konformitätsbewertung ankommt.
Dieser Artikel richtet sich an Ingenieure, Qualitätsmanager und Einkäufer, die sichere und rechtssichere Entscheidungen bei der Materialauswahl treffen müssen.
Kunststoffe gelten als lebensmittelecht, wenn sie bei bestimmungsgemäßer Verwendung keine Bestandteile in gesundheitlich bedenklicher Menge an Lebensmittel abgeben. Entscheidend sind dabei sogenannte Migrationsgrenzwerte. Diese definieren, wie viele Stoffe aus dem Material in das Lebensmittel übergehen dürfen. Die Werte gelten sowohl für die Gesamtheit aller freigesetzten Substanzen (globale Migration) als auch für einzelne potenziell kritische Bestandteile (spezifische Migration).
Wichtig: Lebensmittelechtheit ist keine pauschale Eigenschaft eines Werkstoffs, sondern immer auch vom Endprodukt, der Anwendung und dem Kontaktmedium abhängig. Ein Material, das für trockene Lebensmittel geeignet ist, kann bei öligen oder sauren Produkten problematisch sein. Auch Dauer und Temperatur des Kontakts spielen eine wesentliche Rolle. Nur durch praxisnahe Simulationen lassen sich realistische Aussagen treffen.
FDA steht für die US-amerikanische "Food and Drug Administration". Die dortige Regelung basiert auf sogenannten „positive lists“ – das heißt: Nur bestimmte Materialien, Additive und Verarbeitungshilfsmittel sind für den Lebensmittelkontakt zugelassen. Die FDA-Zulassung erfolgt auf Werkstoffbasis, unabhängig vom konkreten Bauteil. Der Fokus liegt auf der chemischen Unbedenklichkeit der eingesetzten Substanzen. Ein FDA-Listeneintrag ist für viele international tätige Unternehmen ein Qualitätsmerkmal.
EU-Verordnung 10/2011 ist deutlich differenzierter. Sie betrachtet neben der chemischen Zusammensetzung auch die spezifischen Anwendungen (z. B. Temperatur, Dauer, Lebensmitteltyp). Zudem schreibt sie umfassende Konformitätserklärungen, Migrationsprüfungen und eine nachvollziehbare Dokumentation vor. Anders als bei der FDA muss hier jeder Anwendungsfall separat geprüft und dokumentiert werden.
Ein wichtiger Aspekt der EU 10/2011 ist die verpflichtende Simulation realer Kontaktbedingungen. Dazu werden standardisierte Lebensmittelsimulanzien (z. B. Ethanol, Acetat, Öl) verwendet, die typische Lebensmittelgruppen abbilden. Die Tests müssen unter Berücksichtigung von Kontaktzeit und Temperatur durchgeführt werden. Zusätzlich gilt die Verordnung (EG) Nr. 2023/2006 über gute Herstellungspraxis (GMP) – also klare Anforderungen an Produktionsprozesse, Hygiene und Rückverfolgbarkeit.
Kriterium | FDA (USA) | EU 10/2011 (Europa) |
---|---|---|
Geltungsbereich | Materialbasiert | Bauteil- und anwendungsbasiert |
Testverfahren | Standardisiert (kein Bauteilbezug) | Simulation von Anwendungen |
Konformitätserklärung | Nicht verpflichtend | Verpflichtend mit spezifischen Angaben |
Additive | Zulassungslisten | Zulassungslisten + Gesamtmigrationswerte |
Internationale Akzeptanz | Hoch (weltweit anerkannt) | Innerhalb der EU verpflichtend |
Lebensmittelechte Kunststoffe müssen strenge Kriterien erfüllen. Nur eine Kombination aus Materialreinheit, dokumentierter Herstellung und erfolgreich durchlaufener Migrationsprüfung gewährleistet die rechtliche und hygienische Sicherheit. Im Detail gehören dazu:
Geringe Migration: Die Grenzwerte für globale (Gesamtmenge) und spezifische (einzelne Stoffe) Migration müssen eingehalten werden.
Reinheit der Rezeptur: Alle eingesetzten Stoffe – einschließlich Farbpigmente, Stabilisatoren oder Weichmacher – müssen für Lebensmittelkontakt zugelassen sein.
Nachverfolgbarkeit: Lückenlose Dokumentation vom Rohstoff bis zum Bauteil, inklusive Chargenverfolgung und Herstellerangaben.
Reinigbarkeit: Besonders relevant für Mehrwegverpackungen, Maschinenkomponenten und offene Prozesse. Die Oberflächen dürfen keine Rückstände aufnehmen oder Biofilme begünstigen.
Temperaturverhalten: Materialien müssen auch bei Dampfsterilisation, Pasteurisierung oder Kühlung form- und funktionstabil bleiben.
PE-HD und PE-LD sind weit verbreitet im Lebensmittelbereich, insbesondere bei Verpackungen, Schneidunterlagen oder Rohren. Sie zeichnen sich durch eine gute Chemikalienbeständigkeit, niedrige Dichte und ein günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis aus. FDA- und EU-konforme Varianten sind verfügbar. Beliebt z. B. bei Milchleitungen, flexiblen Schläuchen, Lagerbehältern und Schneidbrettern. PE ist besonders für kalte und trockene Lebensmittel geeignet, sollte bei fettigen oder heißen Medien jedoch genau geprüft werden.
PP ist hitzebeständiger als PE und eignet sich gut für mikrowellengeeignete Behälter, Warmabfüllungen und wiederverwendbare Boxen. Es ist geschmacksneutral, leicht, chemikalienresistent und sehr gut formstabil. Auch für mehrfach verwendbare Lebensmittelbehälter ist PP eine gängige Wahl. Eingesetzt z. B. bei Feinkostverpackungen, Clip-Deckeldosen, Spenderboxen oder Portionsbechern. Dank seiner günstigen Verarbeitung ist PP auch für große Serien attraktiv.
POM ist ein technischer Kunststoff mit hoher Steifigkeit, Maßhaltigkeit und ausgezeichnetem Gleitverhalten. Er wird in der Lebensmitteltechnik für Gleitführungen, Zahnräder und Pumpenteile verwendet. Nicht jede POM-Type ist lebensmittelgeeignet, daher ist eine gezielte Auswahl auf Basis von Konformitätserklärung und Migrationsprüfung notwendig. Häufig eingesetzt in Schneidmaschinen, Dosiereinheiten, Fördertechnik und anderen dynamischen Bauteilen, bei denen Reibung minimiert werden soll.
PTFE ist aufgrund seiner Antihaft-Eigenschaften und hohen Temperaturbeständigkeit ideal für Dichtungen, Beschichtungen und Dosierventile. Es ist sowohl FDA- als auch EU-konform erhältlich, erfordert aber eine sorgfältige Verarbeitung und Überprüfung der Additive. Typisch bei Abfüllsystemen, Antihaft-Flächen, Gleitelementen oder Faltenbälgen. Aufgrund seiner hohen Inertheit eignet sich PTFE für aggressive Reinigungsprozesse und extrem temperaturempfindliche Medien.
PEEK ist ein Hochleistungskunststoff für extreme Anforderungen. In der Lebensmittelindustrie kommt er dort zum Einsatz, wo hohe Temperaturen, aggressive Medien und mechanische Belastung zusammentreffen. Zertifizierte Varianten sind teuer, aber effizient und langlebig. Eingesetzt z. B. in thermisch belasteten Ventilen, Sterilisatoren, Hochleistungs-Mischanlagen oder Sensorgehäusen. PEEK kann auch bei wiederholten Sterilisationszyklen eingesetzt werden und erfüllt höchste Anforderungen an Prozesssicherheit.
Kunststoff | Temperaturbeständigkeit | Chemische Beständigkeit | FDA-konform | EU 10/2011-konform | Typische Anwendungen |
---|---|---|---|---|---|
PE | bis ca. 80 °C | gut | Ja | Ja | Verpackungen, Rohre, Schneidplatten |
PP | bis ca. 120 °C | gut | Ja | Ja | Becher, Dosen, Mikrowellenbehälter |
POM | bis ca. 100 °C | sehr gut | Typabhängig | Typabhängig | Zahnräder, Führungen, Pumpenteile |
PTFE | bis ca. 260 °C | exzellent | Ja | Ja | Dichtungen, Antihaft-Bauteile |
PEEK | bis ca. 250 °C | exzellent | Ja | Ja | Hochtemperaturteile, Ventile, Sensorik |
Nicht jeder Werkstofftyp ist automatisch lebensmittelecht. Achten Sie auf spezifizierte Typen mit entsprechender Konformitätserklärung.
Verwendungszweck präzise definieren: Temperatur, Kontaktzeit, Lebensmitteltyp – auch Reinigungszyklen sollten berücksichtigt werden.
Dokumentation einfordern: Hersteller sollten Migrationsdaten, Materialnachweise und EU-/FDA-Bescheinigungen liefern können.
Rechtliche Nachweise prüfen: Die Konformitätserklärung muss vollständig und produktbezogen sein – idealerweise mit Verweis auf spezifische Testbedingungen und verwendete Simulanzien.
GMP-Kriterien berücksichtigen: Auch die Produktionsprozesse müssen dokumentiert hygienisch und rückverfolgbar erfolgen.
FDA-Zulassung mit EU-Konformität verwechseln: Die Anforderungen sind nicht identisch. Eine FDA-Freigabe reicht in der EU nicht aus.
Nur auf Basiswerkstoff achten: Oft sind Additive oder Verarbeitungshilfen nicht geprüft oder zugelassen.
Fehlende Nachweise: Migrationswerte, GMP-Nachweise oder Rohstoffdaten fehlen häufig oder sind unvollständig.
Falsche Simulanzien im Testverfahren: Dies kann die Ergebnisse entwerten – prüfen Sie, ob passende Bedingungen simuliert wurden.
Ungeeignete Reinigbarkeit: In der Praxis zeigt sich, dass manche Materialien die hygienischen Anforderungen nicht dauerhaft erfüllen.
Unklare Chargenkennzeichnung: Ohne klare Rückverfolgbarkeit kann eine Zertifizierung im Ernstfall nicht nachgewiesen werden.
Fehlende Abstimmung mit dem Verarbeiter: Änderungen im Prozess (Temperatur, Reinigungsmittel, Kontaktzeit) können die Eignung beeinflussen.
Mit dem wachsenden Fokus auf Nachhaltigkeit gewinnen auch biobasierte und recyclingfähige Materialien an Bedeutung. In der EU wird der Einsatz recycelter Kunststoffe im Lebensmittelbereich nur in streng regulierten Ausnahmefällen zugelassen – etwa nach EFSA-Gutachten. Langfristig sind kombinierte Werkstoffe denkbar, die sowohl funktionelle als auch ökologische Anforderungen erfüllen.
Auch digitale Rückverfolgbarkeit durch QR-Codes oder Blockchain-Technologien könnte in Zukunft zur Norm werden, um die Transparenz bei lebensmittelechten Materialien weiter zu erhöhen.