Polyamide gehören zur Gruppe der technischen Thermoplaste und werden aufgrund ihrer hervorragenden mechanischen Eigenschaften, ihrer Vielseitigkeit und guten chemischen Beständigkeit in vielen Industriezweigen eingesetzt. Besonders verbreitet sind die beiden Varianten PA6 (Polyamid 6) und PA66 (Polyamid 66).
Obwohl sie sich auf molekularer Ebene ähnlich sind, gibt es entscheidende Unterschiede, die sich auf ihre Einsatzgebiete und Verarbeitungseigenschaften auswirken. In diesem Artikel erhalten Sie eine detaillierte Gegenüberstellung beider Materialien mit Fokus auf den industriellen Einsatz, insbesondere im Maschinenbau und in der Automobilindustrie.
Polyamide sind lineare Polymere mit wiederkehrenden Amidgruppen (-CO-NH-) in der Hauptkette. Sie entstehen durch Polykondensation oder Ringöffnungspolymerisation. Aufgrund ihrer Struktur bilden sie teilkristalline Bereiche, die ihnen Festigkeit, Zähigkeit und thermische Beständigkeit verleihen. Besonders in der Technik kommen sie als Metallersatz zum Einsatz, wo Gewicht, Gleitfähigkeit oder chemische Beständigkeit gefragt sind.
PA6 wird durch die Ringöffnungspolymerisation von ε-Caprolactam gewonnen. Das Material besitzt eine amorph-kristalline Struktur und zeichnet sich durch hohe Zähigkeit und gute Verarbeitbarkeit aus.
Hohe Schlagzähigkeit, auch bei niedrigen Temperaturen
Gute Gleiteigenschaften und Abriebfestigkeit
Exzellente Dämpfungsfähigkeit bei mechanischen Schwingungen
Höhere Wasseraufnahme (bis zu 3 % bei Sättigung), was die Dimensionsstabilität beeinflussen kann
Leicht zu extrudieren und zu spritzgießen
Halbzeuge (Platten, Rundstangen, Hohlstangen)
Spritzgussteile (Lager, Zahnräder, Gehäuseteile)
Fasern für Textilindustrie (Nylon)
PA66 entsteht durch Polykondensation von Hexamethylendiamin mit Adipinsäure. Durch die gleichmäßigere Kristallstruktur erhält PA66 eine höhere Steifigkeit, bessere thermische Stabilität und geringere Wasseraufnahme.
Hohe mechanische Festigkeit und Steifigkeit
Geringe Kriechneigung unter Langzeitbelastung
Geringere Wasseraufnahme als PA6 (ca. 2 % bei Sättigung)
Höhere Dauergebrauchstemperatur (bis zu 120 °C)
Gute Beständigkeit gegen Öle, Fette und viele Lösemittel
Bessere Dimensionsstabilität im Vergleich zu PA6
Strukturbauteile mit hoher Festigkeit
Hochbelastbare Maschinenelemente
Konstruktionsbauteile in sicherheitsrelevanten Bereichen (z. B. Airbaghalterungen)
Eigenschaft | PA6 | PA66 |
---|---|---|
Herstellungsverfahren | Ringöffnungspolymerisation | Polykondensation |
Kristallinität | Niedriger | Höher |
Dichte | ca. 1,13 g/cm³ | ca. 1,14 g/cm³ |
Zugfestigkeit | gut | sehr gut |
Steifigkeit | mittel | hoch |
Schlagzähigkeit | sehr gut | gut |
Dauergebrauchstemperatur | ca. 100–105 °C | ca. 110–120 °C |
Schmelzpunkt | ca. 220 °C | ca. 260 °C |
Wasseraufnahme | hoch (bis 3 %) | mittel (bis 2 %) |
Dimensionsstabilität | eingeschränkt bei Feuchte | besser bei Feuchtebelastung |
Kosten | niedriger | höher |
PA6 eignet sich hervorragend für Anwendungen mit dynamischer Belastung, wie z. B. Lager, Gleitführungen, Rollen oder Zahnräder. Die gute Dämpfung macht PA6 zur idealen Wahl für Maschinen mit Vibrationseinflüssen.
PA66 wird bevorzugt bei stark belasteten Strukturbauteilen eingesetzt, etwa in Antriebselementen, Zahnkränzen oder Montagevorrichtungen. Durch die geringere Wasseraufnahme bleiben Toleranzen auch bei wechselnden Umgebungsbedingungen erhalten.
PA6 findet Einsatz in Innenraumverkleidungen, Tanksystemen, Luftfiltergehäusen oder kleinen Montageteilen.
PA66 überzeugt bei thermisch und mechanisch hochbeanspruchten Komponenten wie Ansaugkrümmern, Riemenspannern, Strukturträgern und Befestigungselementen unter der Motorhaube.
PA66 ist aufgrund seiner hohen Steifigkeit und der geringen Wasseraufnahme hervorragend für die Elektrotechnik geeignet. Es kommt bei Steckverbindern, Schaltern, Klemmenleisten und Isolatoren zum Einsatz, da es dimensionsstabil bleibt und gute elektrische Isolationswerte aufweist.
Im Haushaltsgerätesegment wird PA6 in Gehäusen, Griffen, Scharnieren und nicht wärmebelasteten Bauteilen verwendet. PA66 hingegen kommt bei thermisch hochbelasteten Komponenten wie Heizelementhaltern oder strukturell beanspruchten Verbindungen zum Einsatz.
PA6 wird in großem Umfang zur Herstellung von Fasern genutzt, insbesondere im Textilbereich unter dem Namen "Nylon". Es bietet ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und ist vielseitig einsetzbar. PA66 hingegen eignet sich für technische Gewebe, Industriefilter, textile Bänder und Anwendungen mit höheren mechanischen Anforderungen.
Beide Kunststoffe lassen sich gut durch Spritzgießen und Extrusion verarbeiten, unterscheiden sich jedoch in einigen Parametern:
PA6 hat eine niedrigere Schmelztemperatur und ist dadurch energieeffizienter verarbeitbar. Allerdings ist die Kristallisation langsamer, was zu längeren Zykluszeiten führen kann.
PA66 erfordert höhere Werkzeugtemperaturen und schnellere Kristallisation, wodurch die Formstabilität früher erreicht wird. Der Energiebedarf ist jedoch höher.
PA6 und PA66 sind zwei vielseitige technische Kunststoffe mit jeweils spezifischen Vorteilen. Während PA6 durch seine hohe Schlagzähigkeit, gute Dämpfung und niedrigere Kosten überzeugt, bietet PA66 eine höhere mechanische Festigkeit, bessere Dimensionsstabilität und eine größere Temperatur- und Feuchtebeständigkeit. Beide Materialien haben ihre Berechtigung – die Entscheidung für den einen oder anderen Werkstoff sollte stets auf Grundlage der konkreten Anforderungen an mechanische Belastbarkeit, thermische Bedingungen, Feuchteeinfluss und Wirtschaftlichkeit getroffen werden. Damit lässt sich das optimale Ergebnis für jede technische Anwendung erzielen.
Welches Polyamid ist hitzebeständiger: PA6 oder PA66?
PA66 hat eine höhere Dauergebrauchstemperatur und eignet sich daher besser für Anwendungen mit konstanter thermischer Belastung.
Ist PA6 oder PA66 beständiger gegen Feuchtigkeit?
PA66 nimmt weniger Feuchtigkeit auf und behält seine mechanischen Eigenschaften auch bei hoher Luftfeuchtigkeit besser bei.
Welcher Werkstoff ist kostengünstiger?
In der Regel ist PA6 preisgünstiger, sowohl bei Materialkosten als auch bei Verarbeitung.
Gibt es Unterschiede in der Zerspanung?
Beide Kunststoffe lassen sich gut zerspanen. PA6 bietet aufgrund seiner etwas weicheren Struktur ein günstigeres Spanverhalten.
Wann sollte man glasfaserverstärkte Varianten einsetzen?
Bei Anwendungen mit besonders hoher Steifigkeit oder bei langen, dünnwandigen Bauteilen empfiehlt sich der Einsatz von PA6 GF30 oder PA66 GF30. Diese Kombinationen bieten eine deutlich verbesserte Formstabilität und mechanische Festigkeit.