Technische Kunststoffe sind aus der modernen Industrie nicht mehr wegzudenken. Sie bieten eine Kombination aus Leichtbau, chemischer Beständigkeit und kosteneffizienter Verarbeitung. Doch wenn es um extreme Einsatzbedingungen geht, insbesondere tiefe Temperaturen unter -40 °C, stehen Konstrukteure und Materialexperten vor besonderen Herausforderungen.
In Anwendungen wie der industriellen Kältetechnik, der Kryotechnik, im Outdoorbereich in Polargebieten oder in der Raumfahrt stoßen herkömmliche Kunststoffe an ihre physikalischen Grenzen. Hier kommt es darauf an, Materialien zu wählen, die auch bei starker Kälte formstabil, schlagzäh und beständig bleiben. Dieser Artikel beleuchtet, welche Eigenschaften technische Kunststoffe bei niedrigen Temperaturen zeigen, welche Risiken bestehen und welche Werkstoffe sich besonders eignen.
Sinkende Temperaturen beeinflussen die physikalischen Eigenschaften von Kunststoffen erheblich. Besonders kritisch wird es unterhalb der sogenannten Glasübergangstemperatur. In diesem Bereich verlieren viele Kunststoffe ihre Elastizität und werden spröde, was zu Rissbildung oder mechanischem Versagen führen kann.
Bei Anwendungen unter -40 °C ist es daher essenziell zu verstehen, wie sich die molekulare Struktur eines Kunststoffs verhält. Viele Materialien verhärten stark, verlieren ihre Zähigkeit und brechen unter Belastung schneller. Besonders bei dynamischen Beanspruchungen wie Stößen, Schlägen oder Vibrationen ist das Risiko hoch. Hinzu kommt, dass die thermische Ausdehnung reduziert ist, was in Baugruppen zu Spannungen führen kann.
Auch die Medienbeständigkeit spielt eine Rolle: Kältemittel, Öle oder andere Fluide, die bei niedrigen Temperaturen verwendet werden, können bestimmte Kunststoffe zusätzlich chemisch angreifen. Damit ein Material unter diesen Bedingungen zuverlässig funktioniert, müssen alle Einflussfaktoren berücksichtigt werden – von der mechanischen Belastung über chemische Einflüsse bis hin zur möglichen UV-Exposition im Außenbereich.
Versprödung durch Glasübergang
Risse bei Stoßbelastung
Einschränkung der thermischen Ausdehnung
Veränderung des Reibverhaltens
Ein Kunststoff für tiefe Temperaturen muss:
eine hohe Schlagzähigkeit auch unter Kälteeinwirkung behalten,
formstabil bleiben,
maßhaltig sein und geringe Längenänderungen aufweisen,
medienbeständig sein (z. B. gegen Kältemittel),
gute Isoliereigenschaften aufweisen, falls elektrische Komponenten integriert sind.
Kunststoff | Temperaturbeständigkeit | Eigenschaften bei Kälte | Typische Anwendungen |
---|---|---|---|
PE-UHMW | bis -200 °C | Sehr hohe Schlagzähigkeit, verschleißfest | Tiefkühllogistik, Schlitten, Gleitlager |
PTFE | bis -200 °C | Chemikalienresistent, tieftemperaturbeständig | Dichtungen, Lager, chemische Anlagen |
PA6 | bis -40 °C | Gute Festigkeit, bei -40 °C grenzwertig | Outdoortechnik, Fahrzeugbau |
POM-C | bis -50 °C | Gute Zerspanbarkeit, geringe Wasseraufnahme | Kältemaschinen, Isolierelemente |
PE-HD | bis -50 °C | Witterungsbeständig, schlagzähig | Lagerbehälter, Rohrsysteme |
PVDF | bis -60 °C | Chemikalienbeständig, gute Festigkeit | Prozessanlagen, Kryotechnik |
In der industriellen Kältetechnik kommen etwa PTFE- oder POM-Bauteile in Kompressoren, Ventilen oder Kältemittelverteilern zum Einsatz. Hier ist neben der Temperaturresistenz auch eine hohe Medienbeständigkeit gefragt.
Kunststoffe wie PE-HD oder PA6 finden Verwendung in Schneefräsen, Außengehäusen oder Transportverpackungen für arktische Bedingungen. UV-Stabilität und Schlagzähigkeit spielen hier eine große Rolle.
In der Raumfahrt kommen Hochleistungskunststoffe wie PEEK oder PTFE zum Einsatz. Die Materialien müssen hier Temperaturschwankungen von -150 bis +200 °C schadlos überstehen und gleichzeitig gewichtssparend sein.
Bei der Werkstoffwahl sollten folgende Kriterien beachtet werden:
Minimaltemperatur im Einsatzgebiet
mechanische Belastung (statisch/dynamisch)
Kontakt mit Medien (z. B. Kältemittel, Wasser)
elektrische Anforderungen (Isolierung, Leitfähigkeit)
Bearbeitbarkeit und Verfügbarkeit
Tieftemperaturanwendungen stellen besondere Anforderungen an Kunststoffe. Während viele Standardkunststoffe bei Temperaturen unter -40 °C verspröden oder mechanisch versagen, bieten spezialisierte technische Kunststoffe eine zuverlässige Lösung. Materialien wie PTFE, PE-UHMW oder PVDF zeichnen sich durch hohe Schlagzähigkeit, gute chemische Beständigkeit und stabile mechanische Eigenschaften auch bei extremen Minusgraden aus. Für Ingenieure und Konstrukteure ist es daher essenziell, bei der Materialwahl nicht nur die Einsatztemperatur zu berücksichtigen, sondern auch Faktoren wie Medienkontakt, mechanische Lasten und Umwelteinflüsse. Nur so lassen sich langlebige und sichere Bauteile für den Einsatz in Kälte, Frost und kryogenen Umgebungen realisieren.
Welche Kunststoffe halten Temperaturen unter -50 °C stand?
PTFE, PE-UHMW und PVDF sind für sehr tiefe Temperaturen geeignet. Sie bleiben auch unter -100 °C zäh und formstabil.
Was passiert mit PA6 bei starker Kälte?
PA6 kann bei Temperaturen unter -40 °C verspröden und verliert dann seine Schlagzähigkeit. Es ist daher nur eingeschränkt geeignet.
Welche Branchen setzen Kunststoffe bei Minustemperaturen ein?
Typisch sind Kältetechnik, Outdoor-Ausrüstung, Lebensmittelverarbeitung, Raumfahrt, Tiefseetechnik und Labortechnik.